Schweizer Immobilienfonds – zu teuer, zu günstig?

Die am Markt bezahlten Preisaufschläge respektive -abschläge für Schweizer Immobilienfonds sorgen regelmässig für Diskussionen. Wir nennen die wichtigsten preisrelevanten Faktoren und analysieren, ob die aktuellen Bewertungen aus unserer Sicht angemessen sind.

Autoren: Flurin Joller und Elias Lipp, Senior Product Specialist Equities & Themes

Immobilienfonds mit Fokus auf Wohnliegenschaften zeigen deutlich höhere Agios als Immobilienfonds mit Fokus auf kommerzielle Liegenschaften (Bild: René Dürr)

Zeitgleich mit dem jüngsten Jahreshoch der kotierten Schweizer Immobilienfonds sind Diskussionen über deren Bewertung und die an der Börse gehandelten Preise entbrannt. Die meisten Fonds zeigen aktuell einen Aufschlag (Agio), nur wenige einen Abschlag (Disagio) zum Net Asset Value (NAV) auf. Die Spannweite zwischen den verschiedenen Fonds ist indes sehr gross.

Was ist der Net Asset Value und das Agio/Disagio?

Der Net Asset Value (NAV), auch innerer Wert genannt, ist die Summe sämtlicher Vermögens­werte des Immobilienfonds, abzüglich der Verbindlichkeiten und der latenten Liquidations­steuern.

Das Agio bzw. Disagio ist die Differenz zwischen dem Börsenkurs des Immobilienfonds und dem NAV. Ein Agio bedeutet, dass Anlegerinnen und Anleger mehr für einen Fondsanteil bezahlen, als die unterliegenden Liegenschaften bewertet sind. Umgekehrt bedeutet ein Disagio, dass Anlegerinnen und Anleger weniger für einen Fondsanteil bezahlen, als die unterliegenden Liegenschaften bewertet sind.

Bestandteile des Agios

Ein Agio bzw. Disagio besteht aus internen und externen Faktoren.

Interne Faktoren:

  1. Latente Liquidationssteuern: Während der Lebensdauer eines Immobilienfonds kumulieren sich im Laufe der Zeit Wertzuwächse, die im Falle einer Liquidation erhebliche Steuern auslösen können. Insbesondere bei Immobilienfonds, welche die Liegenschaften vor Jahrzehnten erworben haben, können die latenten Steuern mehr als 15% betragen. Im Durchschnitt liegen sie derzeit bei ca. 8% des NAV. 
  2. Diversifikationsprämie: Eine breite Verteilung über verschiedene Regionen, Mikro­lagen und Nutzungsarten reduziert das Risiko von Mietausfällen und liegen­schafts­spezifischen Risiken. Vor diesem Hintergrund sind Anlegerinnen und Anleger bereit, einen Aufpreis für diese Diversifikation zu zahlen. 
  3. Liquidität und Rechtssicherheit: Die tägliche Handelbarkeit an der Börse und die Rechtssicherheit (u.a. Publikationspflicht und Anlegerschutz, da die Anlage­gefässe reguliert sind) sind weitere entscheidende Vorteile. 
  4. Erwartungswerte: Individuelle Portfoliomerkmale wie Objekt-, Standort- und Mieterqualität sind zwar bereits in der Bewertung reflektiert, dennoch fliessen eigene Erwartungswerte hinsichtlich Wert- und Ertragsentwicklungen der verschiedenen Investorinnen und Investoren in die entsprechenden Preise ein.
Quelle: Zürcher Kantonalbank

Externe Faktoren:

  1. Zinsen: Das Zinsumfeld hat einen besonders starken Einfluss auf die Im­mobilien­preise. Investorinnen und Investoren antizipieren entsprechende Bewegungen bei den Fundamentaldaten von Immobilienanlagen wie Finanzierungskosten oder die Höhe des Diskontierungsfaktors in den Bewertungen.
  2. Anlagealternativen: Steigen bspw. die Anleihenrenditen oder klettert der risiko­lose Zinssatz nach oben, kann dies die Attraktivität von Immobilienfonds dämpfen und vice versa.
  3. Vermietungsmarkt: Die Börse neigt auch dazu, sich verändernde Aussichten auf dem Vermietungsmarkt (Leerstandsniveaus, Mietwachstumsaussichten etc.) viel schneller einzupreisen als Immobilienschätzer.

Aktuelle Bewertungen zeigen grosse Diskrepanzen

Betrachtet man die aktuelle Bewertung der kotierten Immobilien­fonds, fällt Folgendes auf: Das aktuelle durchschnittliche Agio beträgt 22,5%. Es liegt damit sehr nahe beim historischen, indexgewichteten Durchschnitt von 21,5%. Im langfristigen Vergleich zur Rendite der 10-jährigen Schweizer Bundesanleihe scheinen die Immobilien­fonds ebenfalls angemessen bewertet.

Allerdings fällt auf, dass Immobilienfonds mit einem Fokus auf Wohnliegenschaften mit einem Agio von 26,3% deutlich höher bewertet sind als Immobilienfonds mit einem Fokus auf kommerzielle Liegenschaften. Hier beträgt das Agio bloss 4,2%.

Hinzu kommt: Die Prämie zum inneren Wert für Immobilienaktien ist aktuell sogar negativ (-1,2%) und liegt somit deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt von 10,4%.

Kotierte Immobilienfonds im historischen Vergleich angemessen bewertet, Immobilienaktien unter NAV

Quelle: Zürcher Kantonalbank, Bloomberg (Daten per Ende Juli 2024)

Nicht nur die Agios, sondern auch die NAV-Bewertungen der jeweiligen Fonds und somit die unterliegenden Bewertungen der Liegenschaften eröffnen Interpretations­spielraum. Massgebend für die Bewertung der Liegenschaften ist unter anderem der Transaktionsmarkt mit den dort angebotenen Preisen und den damit verbundenen Rendite­forderungen der Markt­teilnehmenden. Diese Erkenntnisse fliessen dann, wenn auch oft mit einer gewissen Zeitverzögerung, wieder in die Bewertungen ein.

Welche Ausschüttungsrenditen sind zu erwarten?

Eine weitere Bewertungskennzahl stellt die Ausschüttungsrendite dar. Sie gibt an, mit wie viel Ausschüttungssubstrat im Verhältnis zu den aktuellen Marktpreisen Schweizer Immobilienfonds zu rechnen ist. Stellt man diese ins Verhältnis zum vor­herrschenden Zinsumfeld, erhält man ebenfalls einen sehr guten Eindruck über das Bewertungsniveau.

Der Mittelwert der Ausschüttungsrendite basierend auf den aktuellen Kursen liegt bei 2,68%, was einem sogenannten Yield-Spread (Ausschüttungsrendite abzüglich Rendite einer 10-jährigen Schweizer Bundesanleihe) von 2,23% entspricht. Im lang­fristigen Vergleich fällt dieser Spread etwas tiefer aus als der historische Durch­schnitt (2,90%). Geht man davon aus, dass Immobilienanlagen einen Inflationsschutz bieten, und berücksichtigt man demzufolge zusätzlich die mittelfristigen Inflations­erwartungen der Schweizerischen Nationalbank (SNB), fällt der reale Yield-Spread mit 3,16% deutlich höher aus. Doch auch dieser liegt etwas unter dem historischen Durchschnitt (3,87%). Relativ betrachtet befindet sich der reale Yield-Spread aber näher am historischen Durchschnitt.

Ausschüttungsrendite abzüglich der realen resp. nominalen Rendite der 10-jährigen Schweizer Bundesanleihe

Quelle: Zürcher Kantonalbank, Bloomberg, SNB (Daten per Ende Juli 2024 )

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Agios der kotierten Fonds in den vergangenen Wochen gestiegen sind, die aktuelle Bewertung im historischen Ver­gleich aber angemessen ist. Unterdurchschnittlich bewertet sind insbesondere Fonds mit einem Fokus auf kommerzielle Liegenschaften sowie Immobilienaktien. Auch die Risikoprämie, gemessen am Yield-Spread, zeigt die anhaltende Attraktivität von indirekten Schweizer Immobilienanlagen.